Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Mein lieber Herr Gesangsverein

Wuppertal · Diese Woche sagte eine Kollegin folgenden beachtlichen Satz: „Heute steht nur Müll im Internet. Vielleicht wird‘s morgen besser.“ Und siehe da: Am nächsten Tag stieß ich online tatsächlich auf eine für mich als Mitglied der Baby-Boomer-Generation höchst interessante Neuigkeit.

Roderich Trapp.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Max Höllwarth

Ein 24-jähriger Influencer (dieser englische Begriff bedeutet übersetzt „Birnemann, der heiße Luft in relativ viel Geld verwandelt“) namens Levi Penell hat nämlich soeben zum wiederholten Mal das Boomerwort des Jahres gekürt. Das ist quasi das Gegenstück zum Jugendwort des Jahres, vor dem wir regelmäßig ähnlich ratlos stehen wie vor der Frage, die Levi seiner Gefolgschaft zur Ermittlung des Boomerwortes gestellt hat. Sie lautete: „Was sind so alte Worte, die zwar heute nicht mehr so wirklich benutzt werden, aber eigentlich komplett hart gehen?“

Diese Formulierung überfordert mich tendenziell. Ich weiß zwar, wie Eier hart gehen (indem man sie zehn Minuten kocht) und dass Barmen gerade live geht, was oft auch ziemlich hart ist. Aber wie Worte hart gehen, ist mir trotz einschlägiger Hochschulbildung im sprachlichen Segment nicht bekannt.

Vielleicht liefert Levi deshalb auch zur Sicherheit zwei Beispiele: Er meine sowas wie „Kokolores“ oder „Schnabulieren“. Da fühle ich mich natürlich betroffen, weil ich beide eigentlich ganz gerne verwende und eigentlich auch nicht glaube, dass die nicht mehr gebraucht werden. Immerhin wird in der Weltpolitik gerade jede Menge Kokolores gemacht und im Fernsehen geht es bei jeder zweiten Sendung um das Schnabulieren leckerer Sachen, die von stetig dicker werdenden Star-Köchen zubereitet werden.

„Schnabulieren“ und „Kokolores“ wurden aber auch gar nicht zum Boomerwort des Jahres gewählt, sondern der Begriff „Baujahr“ als Ersatz für „Geburtsjahr“, den in der Tat viele Menschen unserer Generation verwenden. Ich habe das noch nie gemacht, weil ich erstens kein Auto bin und man zweitens sonst ja genau wie bei Kraftfahrzeugen zwischen dem Baujahr als Zeitpunkt der Produktion und der eigentlichen Inbetriebnahme unterscheiden müsste. Wer im Februar 1963 geboren ist, wurde logischerweise neun Monate vorher hergestellt und sollte also korrekterweise entweder sagen „Ich bin Baujahr 1962“ oder „Ich bin Erstzulassung 1963“ ...

Auf Platz zwei kam übrigens: „Mein lieber Herr Gesangsverein!“ – ein klassischer Ausruf bassen Erstaunens, den man für meine Begriffe immer noch sehr gut gebrauchen kann, wenn man sich zum Beispiel das aktuelle Abschneiden deutscher Schüler beim PISA-Test anguckt. Genau wie „Mein lieber Scholli!“ oder „Mein lieber Schwan“, die Levi und seine Community aber wohl nicht auf dem Schirm hatten.

Erwischt hat es dagegen „Schabernack“, „Trick 17“, „Rechner“ (statt Computer) und „Firlefanz“ auf den nächsten Plätzen. Wobei ich mir mit Blick auf die ganzen Influencer sehr gut vorstellen kann, dass speziell das Wort „Firlefanz“ irgendwann ein ganz großes Comeback feiern wird ...

Bis die Tage!